Kalymnos, eine Insel zum "Klettern"

Ich selbst war noch nicht auf Kalymnos, aber einem Freund von Rhodos (Jorgos Diakidis, Architekt - Mail: GDiakidi@otenet.gr ) liegt diese Insel am Herzen und so zeige ich hier mal, was man mit einem Schnellboot in ca. 2-3 Stunden von Rhodos erreichen kann.
Besonders bedanken möchte ich mich auch bei der Redaktion des Magazin Klettern © , die mir die Veröffentlichung dieser Seite genehmigt haben, vielen Dank an Volker Leuchsner, der den Artikel im Januar 2005 veröffentlichte:

(1) Volles Haus in lauer Nacht: Zu den Vorträgen der Felsprofis strömte das internationale Klettervolk in Scharen, zum Beispiel an den Pool des Plaza Hotels. (2) Beim Folklore-Abend vor der Kirche in Masouri fanden sich arglose Kletterer unversehens auf der Tanzfläche wieder. (3) DJ Dave Graham lässt im Club Loca die Puppen tanzen. (4) Wer kann, der kann: François Legrand tut was für die B-Note in Daniboy (8a) im Sektor Spartacus. (5) Andrea di Bari im Glück: Erst erhielt der Kalymnos-Entdecker einen Orden, dann gewann er ein Seil. Aris Theodoropoulos und George Hatzismalis von der örtlichen Tourismusbehörde freuen sich mit dem sympathischen Lotteriegewinner. (6)  Fliegende Holländerin: Mirjam Verbeek zog mit ihrem eleganten Kletterstil, hier in Pas touch a ma bite (8a, Arhi), nicht nur die Blicke der männlichen Kletterwelt auf sich. (7) Volker Leuchsner genießt die Aussicht in Kalenka (6a+) im wunderschön gelegenen Sektor Saint Fotis. (8) Beste Stimmung trotz Kletterhallengedränge: Für eine Woche war der Sektor Odyssee das Zentrum des vertikalen Multikultis. (9) Schweizer Lochbohrer mit Gütegarantie: Erschließerlegende Michel Piola zieht es immer wieder nach Kalymnos.

* Die gebürtige Australierin und Gattin von Barbesitzer Babis schwärmt: "Die Kletterer sind so inspirierend für uns. Sie geben der Insel und speziell den Jugendlichen eine Perspektive." Freundliche Worte und ehrliches Interesse für das Treiben am Fels sind auf Kalymnos allgegenwärtig. Ein altes Ehepaar auf einem klapprigen Roller erkundigt sich besorgt bei mir, ob Klettern nicht sehr gefährlich sei. Nach einigen Erklärungen fahren sie sichtlich beruhigt weiter. Ein Jäger will wissen, ob der Fels auf Kalymnos besser sei als anderswo. Vor Andrea di Baris Diavortrag im Kino von Pothia fragt uns ein voluminöser älterer Herr, ob der beste Kletterer der Welt auch auf der Insel weile. Nachdem wir einige der anwesenden Damen und Herren Hardmover aufgezählt haben, meint er begeistert: "Gebt mir Bescheid, wenn sie kommen. Die muss ich unbedingt kennenlernen!"
* Einer für die Galerie: Einarmig hängend chalkt François Legrand nach. Alter Angeber. Naja, wer es sich leisten kann... Souverän bringt der Franzose nach der Poserpause seinen Rotpunktdurchstieg von Daniboy (8a) im Sektor Spartacus zu Ende. Hundert Meter unterhalb versucht sich Dave Graham an einer neu eingebohrten Highend-Route, Liv Sansoz hält derweil ein Schwätzchen in der Sonne. Drumhe rum babylonisches Sprachgewirr: Briten, Spanier, Rumänen, Italiener, Schweizer, Griechen, eine Südafrikanerin, eine Zypriotin und zwei Berchtesgadenerinnen. Josefa und Birgitta verpassen uns einen Blitzkursus Bayrisch für Beginner. Bei Lektion eins, "Reinbraten" und "Sempern", zeigen wir uns schwäbisch-pie tistisch etwas begriffsstutzig, im Laufe der nächsten Klettertage klappt die Kommunikation dann immer besser.
* "Gerettet, ein Loch!", tönt es von oben. Einige Schläge mit dem Felshammer haben unter einem kleinen Busch eine große Aushöhlung in der ansonsten grifflosen Wandpassage zu Tage gefördert und uns am Einstieg mit Erdreich eingedeckt. Michel Piola hantiert virtuos mit der Ausrüstung, klopft einen Hook fest, hängt den Fiffi ein, zieht die Bohrmaschine hoch, bohrt, bläst das Loch aus, stopft anschließend ein spezielles Klemmgerät hinein und steigt weiter. Dem Bodenpersonal bleibt das Staunen, und binnen zwei Stunden sind alle Bohrlöcher im Fels, ein erster Bolt als Umlenker ist ebenfalls gesetzt. Feierabend. "Den Rest mache ich morgen, das Klettern ist dann meistens der leichteste Teil," meint der grauhaarige Schweizer, seit über 20 Jahren global aktive Erschließer und Qualitätsrouten-Garant, den das riesige Felspotenzial immer wieder nach Kalymnos lockt.
* Welch enorme ökonomische Bedeutung dem Klettersport auf Kalymnos beigemessen wird, erfahren wir gleich am ersten Abend. Der Bürgermeister überreicht dem völlig verdutzten Andrea di Bari, der 1997 mit Frau und Freunden die Insel aus ihrem vertikalen Dornröschenschlaf weckte, eine Art Orden. Im Anschluss singt er im Duett mit der omnipräsenten Katherine Klonaris vom örtlichen Fremdenverkehrsverein ein Hohelied auf den Klettertourismus und die langfristigen Perspektiven, die dieser Kalymnos eröffne. So ansteckend ihr Enthusiasmus auch ist, kommen bei uns trotzdem Zweifel auf, ob die doch eher als sparsam bekannten Kletterer tatsächlich all das erhoffte Geld auf der Insel lassen und ob sie wirklich all die neugebauten Apartment-Studios füllen werden.
* "Moment, ich hol' schnell die CD aus meinem Zimmer!" Spricht's, spurtet los, am Swimming Pool des Plaza Hotels vorbei, die Treppe hinauf und verschwindet. Zur Untermalung seiner Jugend-Videoclips vom Fischen und von kleinen Leisten muss ein chilliger Sound her. Danach ein kleiner Exkurs: Klettern ohne Kraft oder wer 6c bouldern kann, dem stehen alle Grade offen. "Selbst in ganz harten Routen sind die Einzelzüge nie schwieriger als 6c, nur ist alles viel komplexer." Die zahlreichen Zuschauer quittieren diese erstaunlichen Erkenntnisse mit viel Beifall und Gelächter. Als wir den Felsphilosophen später bei einem Bier in der Kneipe treffen, frage ich augenzwinkernd: "Und jetzt? Trinken ohne Kraft?" "Eine gute Idee, darüber sollte man nachdenken," antwortet Dave Graham schelmisch.
* Donnerstag, Ruhetag. Kalymnos ist zu schade nur zum Klettern. Knapp 30 Grad Celsius und ein angenehm temperiertes Meer locken. Bevor wir uns dem Müßiggang hingeben, schauen wir noch auf ein paar Fotos am Sektor Arhi vorbei, wo sich Aris zufolge die starken Mädels und Jungs heute herumtreiben. In der Tat, rechts und links vergnügen sich vertikale Normalverbraucher in den plattigen Wegen, mittendrin nehmen sich die Cracks die steilen Sinterrouten in der Grotte zur Brust. "Den brauchst du nicht, das ist Wandergelände," beschwichtigt François Legrand die kleine Liv Sansoz, die sich über die fehlende Expresse im Haken vor dem abschließenden Längenzug von Eros (7b+) beschwert. Im Anschluss onsighted er gelöst Pas touch a ma bite (8a) und sichert danach Freundin Mirjam Verbeek in der neu eingebohrten Route. Genug gesehen. Der Strand ruft.

(1) Felsprominenz hautnah: Aris Theodoropoulos, Mirjam Verbeek, François Legrand und Liv Sansoz inspizieren das Werk des Petzl Rock Teams im Sektor Arhi. (2) Seltene Gelegenheit für einen Redakteur: Ralph Stöhr versucht sich an einer brandneuen Piola-Route. (3) Mann mit Hut und Gestik: François Legrand und Kalymnos-Hausmeister Aris Theodoropoulos lauschen gebannt Daniel Dulacs Vortrag. (4) Erst ein Dach, dann kleine Kratzer ohne Ende: Fast wäre Dave Graham ein Durchstieg der neuen, 65 Meter langen Titanthrope (8c+/9a?) unterhalb des Sektors Spartacus gelungen. (5) Liv Sansoz bringt dem Liebesgott Eros (7b+) im Sektor Arhi ein Rotpunkt-Opfer dar.

* Jeden Nachmittag, wenn sich die Kneipenmit Felsheimkehrern füllen, knattert durch die Hauptstraße von Masouri die kalymnesische Antwort auf Clint Eastwood: Schwarzes Mofa, schwarze Klamotten, schwarzer Bart, Sonnenbrille, eine Hand mit Zigarette lässig auf dem nach außen geklappten Bein abgestützt - Sergio Leone hätte den Griechen direkt vom Moped runtergecastet. Dagegen kommt selbst Daniel Dulac mit südfranzösischem Fahrstil und seinem obligatorischen Sonnenhut nicht an. Auf dem Roller ist uns der Boulderweltmeister oft begegnet, auch jeden Abend auf den Veranstaltungen. Nur am Fels nicht. Ein geheimes Projekt, ein Liegestart unter einem Block versteckt? Badeurlaub? Auf jeden Fall Unterhaltungsstoff für das Feierabend bier in der Glaros Bar.
* François Legrand ist geknickt. Nach einer halben Stunde hat der Euroformat-DVDSpieler von der US-DVD endgültig die Nase voll. Doch der Große gibt nicht klein bei. Auf der Abschlussparty des Festivals in der Rock Bar in Kantouni zeigt er den Film "The professionals" über seinen USA-Trip zusammen mit Yuji Hirayama ein zweites Mal. Eine nette Geste. Zuvor haben die Fest-Organisatoren George Hatzismalis und Aris Theodoropoulos je fünf von Beal gestiftete Seile und T-Shirts verlost. Ein besonders glückliches Händchen hat Maurizio Zanolla alias Manolo. Erst zieht er Freund Andrea di Bari als Gewinner eines Seils, dann lost er sich selbst ein T-Shirt zu. Lautes Gejohle und Bemerkungen wie "italienische Mafia" sind zu hören. Am meisten freut sich ein betagter Brite. Nachdem er fleißig auf seinen Seil-Gewinn angestoßen hat, startet er gegen Mitternacht einen Siegestanz durch die Kneipe.
* Armer Graham, arme Griechen. Zerknirscht und etwas bleich um die Nase schimpft der US-Sunnyboy, dass er seinen Rückflug verpasst habe, weil ihn "diese Pfeifen" nicht geweckt hätten. Zum Abschluss des Festivals hatte DJ Dave im Club Loca bis in die Morgenstunden harte Dub- und Technobeats aufgelegt. Und prompt verschlafen. Dumm nur, dass Dave bereits bei der Anreise einen Flug zuviel gebucht und den eigenen dann verpasst hatte. Macht nach Adam Riese fünf Flüge, welche die Organisatoren für den Auftritt des charismatischen Rockstars berappen mussten. Sollte Dave seinen zweiten Abreiseversuch am Sonntag auch verpasst haben - wahrscheinlich wurde er von den Hellenen auf einem kleinen Boot in der Ägäis ausgesetzt. Odysseen haben ja bekanntlich eine jahrtausendalte Tradition in Griechenland.

 

Für alle, denen der steile Höhenflug von Kalymnos nicht geläufig ist: 1996 entdeckte der Italiener Andrea di Bari das gigantische Felspotenzial des Eilands. Ein Jahr später kehrte er mit Freunden zurück und erschloss die ersten Routen in den Sektoren Arhi, Odyssee und Poets. In den folgenden Jahren besuchten immer wieder griechische und internationale Kletterer Kalymnos und bohrten, was das Zeug hält - darunter die Gebrüder Remy, Kaspar Ochsner, Karsten Oelze, Manolo Zanolla und Michel Piola. Heute existieren bereits über 600 Sportkletter- und einige Mehrseillängenrouten.
Die Kletterer kommen!
Vom 2. bis 8. Oktober 2000 veranstaltete der Inselrat zusammen mit dem Mountaineering Club of Aharnon das erste Kletterfestival auf Kalymnos. Ziel der Veranstaltung war es, die Insel bekannter zu machen, Kletterer aus allen Teilen der Welt zusammenzuführen, neue Routen zu erschließen und die örtliche Bevölkerung besser über den Klettersport zu informieren. Insgesamt 180 Vertikalisten folgten der Einladung, darunter die französische Sportklettererin und Alpinistin Catherine Destivelle. Sieben Tage lang wurde gemeinsam geklettert, gefeiert, fanden Vorträge und Veranstaltungen statt, und am Ende waren sich alle Teilnehmer einig, dass dieses Festival nicht das letzte gewesen sein dürfe. Exakt vier Jahre später war es soweit. Zusammen mit Aris Theodoropoulos, dem Athener Haupterschließer der Insel, organisierte die Municipal Tourist Organization ein Fest vom 2. bis 8. Oktober, gewann bekannte Kletterer und Erschließer und stellte ein buntes Programm auf die Beine.
Zwischen Party und Fels
Den Auftakt machte Michel Piola mit einer Diashow über Madagaskar, am Sonntag fand dann die Begrüßungsparty in Kantouni statt. Die nächsten Tage sorgten Liv Sansoz, Dave Graham, François Legrand und ein Teilnehmer der griechischen Everest-Expedition 2004 für den abendlichen Bilderreigen. Tagsüber traf man sich am Fels, lernte neue Kletterer kennen oder schaute den Profis in den harten Routen zu. Damit diese auch etwas zu klettern hatten, war der mobile Bohrtrupp des Petzl Rock Teams bereits eine Woche vorher angereist und hatte etwa 20 Routen vorwiegend zwischen 8a und 9a eingebohrt. Dave Graham war nahe dran, einen der ganz harten neuen Wege, die 65 Meter lange Titanthrope (8c+/9a?) zu punkten. Daneben gelangen ihm einige 8a onsight und Gaia (8b) im zweiten Versuch. Liv Sansoz gelang ebenfalls eine 8a onsight, nämlich Daniboy, und Mirjam Verbeek pushte die niederländische Frauen- Onsight-Bestmarke auf 7c+. Und auch Daniel Dulac war entgegen unseren Verdächtigungen äußerst aktiv am Fels. Zusammen mit Guy Abert erschloss er einen neuen Hardmover-Sektor namens Olympiacos, darunter eine knallharte Vierseillängenroute. Die erste Länge dürfte mit 8b+ die schwierigste Seillänge sein, die während des Festivals gepunktet wurde. Neben den erwähnten Routen kamen während des Festivals noch 21 weitere neue Wege hinzu. Ein Update zu den vielen Neutouren auf Kalymnos findet ihr in einer der nächsten klettern-Ausgaben.

FOTOS: RALPH STÖHR (6) VOLKER LEUCHSNER (2)

TEXT: STEFFEN KERN

MAGAZIN: KLETTERN - DEZEMBER 04 / JANUAR 05

 

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